Wie steht es um Deutschlands KI-Strategie?
Ein Thema des Digital-Gipfel 2024 ist unter anderem die KI-Strategie Deutschlands.
Screenshot Digital-Gipfel 2024
„Deutschland Digital – Innovativ. Souverän. International.“ – das ist das Motto des diesjährigen Digital-Gipfels der Bundesregierung in Frankfurt. Im Fokus steht die digitale Zukunft Deutschlands und Europas. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Thema Künstliche Intelligenz.
Mit Christian Korff, Leiter der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0 beim Wirtschaftsrat der CDU und Mitglied der Geschäftsleitung von Cisco Deutschland, diskutierte Redakteur Jürgen Hill über die KI-Strategie Deutschlands.
Wie beurteilen Sie die KI-Strategie Deutschlands?
Christian Korff: Eine KI-Strategie hat in meinen Augen mehrere Aspekte. So gibt es die regulatorische Sicht, die wirtschaftspolitische Sicht und die Grundlagenkomponenten. In Deutschland stehen wir, was die Ausbildungssituation, die Universitäten, die KI-Experten und auch die Wissenschaft angeht, gar nicht schlecht da.
Gutes KI-Know-how
So hat eine aktuelle Studie die Zahl der KI-Experten pro 10.000 Einwohner ermittelt. Hier kam Deutschland im internationalen Vergleich auf den dritten Platz. Auch in Bezug auf Rechenkapazitäten, wenn wir an Supercomputer wie in München denken, steht Deutschland nicht schlecht da. Also der Bereich Science Research ist nicht unser Problem. Auch, dass wir momentan in Deutschland ein Unternehmen wie Aleph Alpha hochziehen, zeigt, dass wir zumindest nicht hoffnungslos abgeschlagen sind.
Gilt das für alle von Ihnen genannten Bereiche?
Christian Korff: Anders sehe ich es im Bereich Regulatorik. Sicher war es gut, mit dem EU-AI-Act erst einmal erste regulatorische Leitplanken zu setzen. Mittelfristig dürfte der Hiroshima-KI-Prozess der G7-Staaten der gangbarere Weg sein. Er setzt klar die Themen in den Fokus und geht mit einer leichteren Regulierung einher.
Gefahr der Überregulierung
Das heißt jetzt nicht, dass der EU-AI-Act uns schadet. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überregulieren. Aber das Grundprinzip ist richtig: Je kritischer eine KI-Anwendung ist, desto stärker muss die Regulierung eingreifen.
Mit Christian Korff, Leiter der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0 beim Wirtschaftsrat der CDU und Mitglied der Geschäftsleitung von Cisco Deutschland, diskutierte Redakteur Jürgen Hill zum Digital-Gipfel über die KI-Strategie Deutschlands.
Cisco
Und wirtschaftspolitisch?
Christian Korff: Betrachte ich den wirtschaftspolitischen Teil der KI-Strategie, dann wünsche ich mir mehr Impulse seitens der Bundesregierung – nämlich eine klare Investitionsstrategie.
Bei der Vernetzung auf einem guten Weg
Dazu sollte wir KI in drei Kernbereiche unterteilen. KI besteht aus Algorithmen und Methoden, Daten sowie Vernetzung und Infrastruktur. Den Bereich Algorithmen und Methoden haben wir aus meiner Sicht, wie bereits erwähnt, schon gut abgedeckt. Denken Sie hier etwa an die Wissenschaft, an Research, die angewandten Wissenschaften oder die vielen Institute der Fraunhofer Gesellschaft und das DFKI.
Wo hapert es dann?
Christian Korff: Beim Thema Vernetzung – sowohl der physikalischen als auch der logischen – sind wir auf einem guten und interessanten Weg. Nach Anlaufproblemen entwickelt sich Gaia-X als europäisches digitales Ökosystem weiter. Und in verschiedenen Branchen sehen wir Entwicklungen wie beispielsweise Catena-X in der Automobilindustrie.
Öffentliche Infrastruktur als Baustelle
Handlungsbedarf haben wir sicher noch bei den Rechenkapazitäten. Hier ist eine kluge Energie- und Standortpolitik gefragt. Eine weitere Baustelle ist die Infrastrukturpolitik für die Öffentliche Hand. Die Privatwirtschaft ist bereit, in diesen Bereich hineinzugehen. Unternehmen wie Stack IT, Delos Cloud oder Ionos investieren hier sehr stark.
Und wo liegt dann das Problem?
Christian Korff: Die Frage ist: Schaffen wir es wirklich, eine Ende-zu-Ende-Architektur für die Öffentliche Hand zu etablieren? Können damit die Systeme, in die diese Firmen investieren, dann auch betriebswirtschaftlich überleben? Ist uns unsere nationale Souveränität, die ja ein Thema des IT-Gipfels ist, so wichtig, dass wir am Ende nicht doch wieder zu den großen Hyperscalern gehen, weil es dort ein paar Cent billiger ist?
KI erfordert neue Mitarbeiter-Skills
Wo müssen wir sonst noch unsere Hausaufgaben machen?
Christian Korff: Wir müssen als Gesellschaft begreifen, dass KI die Businesslogik verändert. Damit verändern sich auch die Geschäftsprozesse. Und diese veränderten Geschäftsprozesse benötigen andere Mitarbeiter.
Das bedeutet in der Praxis konkret?
Christian Korff: Nehmen wir die Hotelwirtschaft als Beispiel. Beim Check-in müssen Sie heute noch einen Handzettel ausfüllen. Dafür steht an der Rezeption ein Mitarbeiter, der hilft. Um auch nicht deutschsprachigen Gästen helfen zu können, sah das Anforderungsprofil in der Vergangenheit vor, dass er mindestens drei Sprachen – also Deutsch, Englisch und Französisch – beherrscht.
Mit KI mehr Arbeitskräfte für Soziales?
In naher Zukunft werden diese Skills aber nicht mehr benötigt werden. Dann wird eine KI zur Verfügung stehen, die für den Gast in Echtzeit in alle Sprachen übersetzen kann und ihm hilft.
Also droht uns durch KI doch ein Heer an Arbeitslosen?
Christian Korff: Nein, aber wir stehen gesellschaftspolitisch vor der Herausforderung, dass KI Kapazitäten freisetzen wird. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einer immer älter werdenden Gesellschaft wäre meine Vision, dass wir diese Kräfte in sozialen Berufen oder in Bereichen, die viel persönliche Interaktion erfordern, einsetzen.
KI – ein Taschenrechner auf Steroiden?
Welche Branchen verändert KI dann besonders?
Christian Korff: Das wird nicht nur die IT- oder Büro-Jobs verändern. KI wird vom LKW-Fahrer bis zum Architekten fast alle Berufsfelder betreffen. Nehmen wir den Architekten. Er lernt heute Statik und Bauvorschriften etc. und wie er sie anzuwenden hat. Aufgaben, die künftig die KI übernehmen kann. Dabei entwirft die KI womöglich auch noch interessantere Konstruktionen und physikalisch stabilere Gebäude, auf die wir als Mensch nie kommen würden, weil wir solche Mengen an Daten nicht verarbeiten und anwenden können. Letztlich ist KI für bestimmte Themen und Berufe ein Taschenrechner auf Steroiden – so wie der Taschenrechner etwa den Beruf des Kaufmanns veränderte.
Welche Konsequenzen sollten wir daraus ziehen?
Christian Korff: Hier ist die Bildungspolitik gefragt. Wir bilden noch immer viel zu viele Berufsgruppen auf die klassische Art und Weise aus, ohne zu fragen, welche Skills in Zukunft gefragt sind. Wir müssen also lehren, wie man KI einsetzt, welche Fragen ein Architekt der KI stellen sollte, was in Sachen KI und Ethik zu beachten ist.
Um nicht missverstanden zu werden: Damit meine ich nicht, dass jeder eine KI trainieren oder programmieren können muss. Um noch einmal meine Taschenrechner-Analogie heranzuziehen. Fast jeder kann einen Taschenrechner bedienen, wir werden aber nur wenige Ingenieure in Deutschland finden, die auch einen bauen können. Und so sollten wir in Sachen KI auch verfahren, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen.
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