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Microsoft wirft Google Desinformationskampagne vor

width="2500" height="1406" sizes="(max-width: 2500px) 100vw, 2500px">Der Ton zwischen den Cloud-Konkurrenten Microsoft und Google wird schärfer.PHOTOCREO Michal Bednarek – shutterstock.com



Microsoft wirft Google vor, in Europa eine Lobby-Front aufzurüsten, um gegen den Cloud-Konkurrenten vorzugehen. Konkret geht es um die gerade erst gegründete Open Cloud Coalition (OCC), die angeblich von Google finanziert und gesteuert wird, um gegen Microsoft zu agitieren. In einem Blog-Beitrag vom 28. Oktober 2024 bezeichnete Rima Alaily, Corporate Vice President bei Microsoft und stellvertretende Syndikus-Anwältin des Softwareriesen, die Vereinigung als eine von Google organisierte „Astroturf-Gruppe“. Deren alleiniges Ziel sei es, Microsoft bei Wettbewerbsbehörden und politischen Entscheidungsträgern zu diskreditieren und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. 



Die Open Cloud Coalition ist offenbar erst am 29. Oktober gestartet, einen Tag nach der Attacke von Microsoft-Managerin Alaily. Zu den Gründungsmitgliedern der OCC gehören internationale Unternehmen wie Centerprise International, Civo, Gigas und Google Cloud Platform sowie britische Firmen wie ControlPlane, DTP Group, Prolinx, Pulsant, Clairo und Room 101. 



„Die OCC hat es sich zur Aufgabe gemacht, Offenheit, Interoperabilität und fairen Wettbewerb in der gesamten Cloud-Landschaft zu fördern und ein innovativeres, transparenteres, widerstandsfähigeres und sichereres Cloud-Ökosystem zu fördern, von dem Kunden in Großbritannien, der EU und darüber hinaus profitieren“, schreibt sich die Vereinigung auf die Fahnen. Die europäischen Wettbewerbsbehörden wurden aufgefordert, bei der laufenden Prüfung des Cloud-Sektors „rigoros und mutig“ vorzugehen. 



Man werde die britischen und EU-Regulierungsbehörden über den Cloud-Markt informieren, und gleichzeitig Konsultationen zu Wettbewerb und Marktfairness durchführen, heißt es in einer Mitteilung der OCC. Die Verantwortlichen sprechen von einem entscheidenden Zeitpunkt, da die Regulierungsbehörden in ganz Europa den Cloud-Markt intensiver unter die Lupe nehmen und wettbewerbswidrige Praktiken marktbeherrschender Cloud-Anbieter untersuchen.



Souveräne europäische Cloud-Lösungen sind gefordert – ohne US-Hyperscaler



Tatsächlich werden gerade die Karten im Tech-Sektor neu gemischt, was auch die Nervosität so mancher Player erklären würde. Derzeit formiert sich in Brüssel die neue EU-Kommission. Über allem schwebt dabei der Bericht des Ex-EZB-Chefs Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit Europas, den Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen vor einem Jahr beauftragt hat. Die Ergebnisse, die im September 2024 vorgestellt wurden, sorgten für einige Schockwellen. 


Mario Draghi warnt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen davor, dass Europa auch die nächste Tech-Revolution rund um KI verpassen könnte.UE. En la imagen: Mario Draghi y Ursula von der Leyen durante la presentación del informe.



Gerade im Tech-Sektor legt Draghi schonungslos offen, was Politik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten versäumt hätten. Nachdem Europa schon die erste digitale Revolution mit dem Internet verschlafen habe, drohe die alte Welt auch bei der nächsten großen Welle mit KI unterzugehen. Das liege unter anderem auch an der Dominanz der US-amerikanischen Hyperscaler, die das weltweite Cloud-Geschäft dominierten. Draghi plädiert daher vehement dafür, souveräne europäische Lösungen zu fördern. 



Google soll sich um seine eigenen Kartellprobleme kümmern



In dieser Situation scheinen bei Microsoft, das in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt im Visier europäischer Regulierungsbehörden stand, die Nerven blank zu liegen. Jedenfalls keilt Alaily kräftig gegen den Wettbewerber aus. Die Microsoft-Managerin spricht von einer regelrechten Abrechnung. Noch nie in den letzten zwei Jahrzehnten seien die Monopole von Google in den Bereichen Suche, digitale Werbung und mobile App-Stores so bedroht gewesen wie heute. Derzeit gebe es mindestens 24 kartellrechtliche Verfahren gegen Google in den führenden digitalen Märkten der Welt. 



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Google sollte sich lieber darauf konzentrieren, berechtigte Fragen zu seinem Geschäft zu beantworten, mahnt Alaily. Stattdessen fahre der Konkurrent zwielichtige Kampagnen und wende enormen Ressourcen dafür auf, andere zu zerstören. Google versuche von der eigenen intensiven regulatorischen Prüfung abzulenken, indem es Microsoft diskreditiert und die regulatorische Landschaft zugunsten seiner Cloud-Dienste zu kippen sucht, anstatt um die Leistung zu konkurrieren.



Microsoft streitet viele Jahre mit europäischen Cloud-Anbietern



Dass Microsoft selbst über viele Jahre harte Kampagnen immer nahe am Rand des Eingreifens von Regulierungsbehörden gefahren hat, lässt Alaily unerwähnt. Vor allem der Streit mit dem Industrieverband Cloud Infrastructure Service Providers in Europe (CISPE) wurde in den vergangenen Jahren mit harten Bandagen geführt. Dabei ging es in erster Linie um die Art und Weise, wie Microsoft seine Produkte wie zum Beispiel Microsoft 365 und Windows immer tiefer mit seinen anderen Software- und Serviceprodukten integriert. Durch den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung untergrabe der Softwaregigant den fairen Wettbewerb und schränke die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher auf dem Markt für Cloud-Dienste ein, klagten die CISPE-Vertreter. 



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Microsoft räumte im Mai 2022 Fehler ein und kündigte an, die Beschwerden der Cloud-Konkurrenz ernst zu nehmen und künftig besser zu kooperieren. „Als großer Technologieanbieter sind wir uns unserer Verantwortung bewusst“, schrieb Brad Smith, President und Vice Chair von Microsoft, in einem Blog-Beitrag. Doch das waren anscheinend nur Lippenbekenntnisse. Microsoft habe der langen Liste nur weitere unfaire Praktiken hinzugefügt, hieß es in einer Mitteilung des Verbands vom November 2022. Die Wettbewerber reichten eine formelle Beschwerde ein und forderten die EU-Kommission auf, gegen Microsoft vorzugehen. 



In den zurückliegenden Monaten überschlugen sich dann die Ereignisse. Im Juli 2024 legten CISPE und Microsoft ihre Streitigkeiten vorerst bei. Man habe eine Einigung erzielt, hieß es in einer Mitteilung des Verbands. Im Rahmen einer von beiden Parteien unterzeichneten Absichtserklärung habe sich Microsoft verpflichtet, bestimmte Änderungen vorzunehmen, um die Vorwürfe der europäischen CISPE-Mitglieder auszuräumen. CISPE werde seine Beschwerde gegen Microsoft daher zurückziehen. Explizit ausgeschlossen von dieser Vereinbarung wurden jedoch CISPE-Mitglied Amazon Web Services, die Google Cloud Platform und die AliCloud des chinesischen Anbieters Alibaba. Diese drei Anbieter könnten nicht von diesen Bedingungen profitieren, hieß es. 



Google beschwert sich bei der EU-Kommission über Microsoft



Google legte daraufhin Ende September 2024 eine formelle Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission gegen Microsoft ein. Darin wirft Google dem Cloud-Konkurrenten wettbewerbswidrige und unfaire Lizenzierungspraktiken vor. Microsoft zwinge seine Kunden über die eigene Preispolitik, seine Azure-Cloud-Infrastruktur zu nutzen. Wer Microsoft-Software wie den SQL oder den Windows Server in konkurrierenden Clouds nutzen wolle, müsse mit Preisaufschlägen von bis zu 400 Prozent rechnen, lautet Googles Vorwurf.  



Mit diesen Praktiken habe Microsoft europäischen Unternehmen und Regierungen erheblich geschadet, schreiben Amit Zavery, damals noch General Manager und Vice President für die Google Cloud (Zavery wechselte Ende Oktober 2024 zu ServiceNow, Anm. d. Red.), und Tara Brady, President für Google Cloud in der Region EMEA, in einem Blog-Beitrag. Die Google-Manager bezifferten den dadurch entstehenden Schaden auf mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr. Dadurch würden Steuergelder verschwendet, der Wettbewerb behindert und Kunden außerdem erhöhten Risiken ausgesetzt, weil sie einer unzureichenden Sicherheitskultur Microsofts ausgesetzt seien.



Über die Einigung Microsofts mit CISPE äußerten sich die Google-Manager enttäuscht. „Leider hat Microsoft, anstatt seine Praktiken zu ändern, einmalige Vereinbarungen mit einer kleinen Gruppe von Unternehmen getroffen“, kommentieren die Google-Manager Zavery und Brady die Situation. Sie ließen durchblicken, dass es weitere Schritte brauche, um den Beschwerden, “die wir von Kunden – und aus der gesamten Branche – hören”, Gehör zu verschaffen. 



Finanziert Google Meinungsmache gegen Microsoft?



Neben der Kartellbeschwerde könnte auch die Gründung der OCC drauf einzahlen. Microsoft-Managerin Alaily jedenfalls behauptet, Google habe den CISPE-Mitgliedern eine Kombination aus Bargeld und Krediten in Höhe von 500 Millionen Dollar angeboten, um den Vergleich abzulehnen und den Rechtsstreit fortzusetzen. Weil dieser Versuch fehlgeschlagen sei, habe Google kurzerhand eine eigene Lobbyorganisation gegründet. Alaily zufolge sei eine Lobby- und Kommunikationsagentur in Europa beauftragt worden, die Organisation zu gründen und zu betreiben. Außerdem wurden mehrere kleine europäische Cloud-Anbieter für den Beitritt rekrutiert. „Eines der angesprochenen Unternehmen, das letztendlich ablehnte, teilte uns mit, dass die Organisation von Google geleitet und größtenteils finanziert wird, um das Cloud-Computing-Geschäft von Microsoft in der Europäischen Union und im Vereinigten Königreich anzugreifen“, heißt es in ihrem Blog.



Alaily spricht von einem regelrechten Kreuzzug Googles gegen Microsoft. Der Konkurrent finanziere „verschiedene Kommentatoren und Akademiker, um Microsoft anzugreifen und Studien zu verfassen, die zitiert werden können, um uns zu diskreditieren“. Microsoft gehe ferner davon aus, dass Google einer der Hauptgeldgeber der in den USA ansässigen Coalition for Fair Software Licensing ist, die Angriffe auf das eigene Cloud-Computing-Geschäft in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der EU durchgeführt habe. Die Organisation werde von einem bekannten Lobbyisten für Google in Washington DC geleitet. 



„Wir haben immer ein offenes Ohr, wenn es um unsere Produkte, Lizenzierung und Geschäftsstrategie geht, weshalb wir versuchen, auf echtes Feedback von Kunden, Partnern und Aufsichtsbehörden zu reagieren und schnelle Änderungen vorzunehmen“, beschreibt Alaily den eigenen Microsoft-Ansatz. „Wir haben diese und andere Änderungen nicht vorgenommen, weil wir glaubten, etwas Unangemessenes zu tun, sondern weil wir verstehen, dass die Rolle und Verantwortung, die wir als wichtiges globales Technologieunternehmen haben, und die gestiegenen Erwartungen, die Regierungen, Regulierungsbehörden, politische Entscheidungsträger, Kunden und Partner an uns haben.“



Microsoft muss seine Versprechen erst noch einlösen



Diesen Worten wird der Softwarekonzern allerdings noch Taten folgen lassen müssen. Für Microsoft ist noch längst nicht alles in trockenen Tüchern. Schon einmal wurde viel versprochen und wenig gehalten. „Microsoft hat neun Monate Zeit, um sein Versprechen einzulösen und Lösungen anzubieten, die faire Lizenzbedingungen für seine Produktivitätssoftware in europäischen Cloud-Infrastrukturen ermöglichen“, hatte Francisco Mingorance, Generalsekretär der CISPE, im Juli gesagt. Die Uhr tickt also. Spätestens im April 2025 muss Microsoft liefern, sonst geht der Streit von vorne los. 




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