Mit KI und 5G zum hybriden Hightech-OP
Im experimentellen, vernetzten Hybrid-OP des Fraunhofer IPA in Mannheim erlaubt 5G Datentransfer in Echtzeit.
Fraunhofer IPA
Etliche deutsche Kliniken sind nach der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in ihrer Existenz gefährdet. Vielerorts kann nicht mehr in jedem Bereich die entsprechende medizinische Expertise vorgehalten werden. Doch was passiert, wenn ein Notfall eine komplizierte Operation erfordert und der nächste Spezialist Hunderte von Kilometern entfernt ist? Ein solcher Engpass könnte Leben kosten.
Eine Lösung könnte moderne IT sein: 5G und KI. Etwa, wenn in ein paar Jahren Chirurgen ihre Patienten aus der Ferne operieren – unterstützt durch Roboter mit haptischem Feedback.
5G und KI im OP
Für eine nahezu latenzfreie Verbindung, damit der Roboter in Echtzeit agiert und kontinuierlich Daten ausgetauscht werden, könnte ein klinikeigenes 5G-Netz – sprich Private 5G – sorgen. Und die KI könnte die Vitaldaten überwachen sowie die chirurgischen Daten analysieren.
Zukunftsmusik? Nicht unbedingt, denn an entsprechenden Szenarien wurde bereits im gerade abgeschlossenen Projekt 5G-OR (Establishing the next generation of a 5G-enabled operating room ecosystem to improve patient outcome) gearbeitet. Dabei wurden drei hoch technologisierte hybride Operationssäle mit intraoperativen Bildgebungssystemen entwickelt.
Deutsch-französisches Projekt
Dazu vereinte das Projekt grenzüberschreitend und interdisziplinär Ingenieure, Unternehmer, Chirurgen und Anästhesisten an drei Standorten – Mannheim, Berlin sowie dem französischen Straßburg. Beteiligt waren neben dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA auf französischer Seite das Institut Hospitalo-Universitaire (IHU) in Straßburg sowie die Charité Berlin, die Hochschule Reutlingen, die Unternehmen SectorCon GmbH und KARL STORZ SE Co. sowie das private französische Forschungs- und Technologieinstitut b<>com und das Start-up RDS (Rhythm Diagnostic Systems).
Die von der Hochschule Reutlingen gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA entwickelte mobile robotische Plattform im experimentellen OP in Straßburg ermöglicht den autonomen Transport von medizinischem Material und Instrumenten.
Fraunhofer IPA
Das internationale Team setzte im Rahmen des Projekts vier relevante Anwendungen in die Praxis um:
KI-gestützte Überwachung der Vitaldaten
Die Patienten tragen während des gesamten Behandlungsverlaufs – von der Operation bis zur Nachsorge zu Hause – einen intelligenten Patch. Dessen Sensoren zeichnen Vitalparameter auf und übermitteln sie drahtlos an eine überwachte Plattform, wo sie eine KI ausgewertet. So lassen sich mögliche Komplikationen frühzeitig erkennen.
KI-gestützte Analyse chirurgischer Daten
Während der OP analysiert die KI zum Beispiel endoskopische Bilder oder Videosequenzen sowie Daten von chirurgischen Instrumenten und Prozessen. Auf diese Weise können zum einen der Fortschritt der Operation bestimmt und mögliche Anomalien oder Risiken erkannt werden. Zum anderen optimieren solche Analysen die Arbeitsabläufe im OP.
Roboterassistierte Telechirurgie
In den Hightech-OP-Sälen können Chirurgen – unterstützt durch einen Roboter mit haptischem Feedback – Patienten aus der Ferne operieren. 5G gewährleistet dabei große Bandbreiten für die riesigen Datenmengen. Gleichzeitig stellt 5G eine latenzarme Verbindung für den Austausch von Daten in Echtzeit während der OP sicher. Das System kann auch lokal außerhalb des OPs eingesetzt werden, etwa um medizinisches Personal vor Gefahren wie Röntgenstrahlung oder Infektionen zu schützen.
Mobile Roboter-Unterstützung im Operationssaal
Ein speziell für den OP-Bereich entwickelter mobiler Roboter transportiert medizinisches Material und Instrumente. Indem er logistische Aufgaben während der Operation übernimmt, entlastet er das Krankenhauspersonal. Was in Fabriken längst Alltag ist, erfordert im OP höchste Präzision, Sicherheit, Flexibilität und Zuverlässigkeit. Das sollen hier 5G-Campusnetze durch bereitgestellte Echtzeitdaten gewährleisten.
Ziele des Projekts
Zentrale Ziele des Teams sind, so Johannes Horsch, Projektleiter im Forschungsbereich Gesundheitstechnologien bei Fraunhofer IPA, die Komplikationsrate von Eingriffen zu senken und den Workflow in den Operationssälen zu optimieren. „Schließlich treten heute noch bei acht bis zwölf Prozent aller Krankenhausaufenthalte medizinische Behandlungsfehler auf“, erklärt Horch.
Hier könne die Vernetzung per 5G Fehler verringern und die Effizienz steigern. Ergänzend dazu erlaube der KI-Einsatz, OP-Daten während chirurgischer Eingriffe besser zu analysieren. Zudem unterstütze KI den Einsatz von Robotik in der Medizin.
Positive Bilanz
So zieht auch Professor Sascha Treskatsch, Klinikdirektor in der Charité, auf der Anwenderseite eine positive Bilanz: „Die Verarbeitung einer Vielzahl multimodaler Datensätze in Echtzeit wird die Überwachung von Patienten im Krankenhaus und insbesondere im Operationssaal während einer Anästhesie revolutionieren. 5G-OR bietet hierfür die Grundlage.“
Im Fokus steht nun der Technologietransfer der Anwendungen in die klinische Praxis. Dies beinhaltet ausgiebige Tests, die Prüfung von medizinischen Zulassungen sowie die Suche nach Wegen in den Markt über Industriepartner und Start-ups.
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