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ESG: Der IT fehlen die Daten

Das zarte Pflänzchen Green IT will noch nicht so recht wachsen – etwas besser sieht es bei IT for Green aus. Doidam 10 / shutterstock.com



Mit der Nachhaltigkeit ist es so eine Sache. Zwar behaupten Unternehmen gern, dass Umweltschutz und soziale Verantwortung für sie ganz oben auf der Agenda stünden. Auch die Studie “Erfolgsfaktoren IT und Innovation 2023 – Lösungen für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit” von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE fand im letzten Jahr heraus, dass zumindest für knapp die Hälfte der Unternehmen der Aspekt der Nachhaltigkeit eine wesentliche Grundlage für die Unternehmenssteuerung bildet.



“Green IT” liegt also im Trend – sollte man meinen. Doch häufig genügt der nächste Hype, der unbedingt verfolgt werden will, und schon rückt das grüne Gewissen schnell wieder in den Hintergrund. Erkennen lässt sich das besonders gut an der KI-Begeisterung, die auch deutsche Unternehmen erfasst hat. Der enorme CO2-Fußabdruck, den das Trainieren und Betreiben von KI-Modellen hinterlässt, ist aktuell nur schwer mit den Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit im IT-Betrieb in Einklang zu bringen.



Treten wir also auf der Stelle, was ESG (Environmental, Social, Governance) anbelangt, oder bewegen sich deutsche Unternehmen in die richtige Richtung? Damit beschäftigten sich die Experten des COMPUTERWOCHE-Roundtables zum Thema “ESG”.



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ESG und IT – Wo stehen die Unternehmen?



Dass die meisten Unternehmen noch weit von einer echten ESG-getriebenen IT entfernt sind, stellt die Expertenrunde direkt zu Beginn fest. Ein Großteil der Bestrebungen hinsichtlich mehr Nachhaltigkeit seien nach wie vor in erster Linie kostengetrieben. Zwar achteten Unternehmen mehr auf das Thema Nachhaltigkeit in der IT, allerdings stecke diese Entwicklung noch in den Kinderschuhen, konstatiert Thomas Gros, Co-Founder and CEO von circulee: “Wir erleben zunehmend, dass vor allem IT-Entscheider Wege suchen, ihre IT-Landschaft so zu managen, dass diese nicht nur Kosten spart, sondern auch ESG-Kriterien erfüllt – dieser Trend steckt allerdings noch in den Anfängen, kommt aber langsam im Markt an.”



Sinnvoll in der Betrachtung der aktuellen Situation ist auch die Unterscheidung zwischen




“Green IT”, also die Minimierung des negativen Einflusses der IT-Abteilungen auf die Umwelt, und



“IT for Green”, also Initiativen, die IT-Lösungen zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks des gesamten Unternehmens einsetzen.




Für diese Differenzierung plädiert Carina Schöllmann, Partner bei EY: “Die Nachfrage nach Green IT ist derzeit noch zögerlich.” Es gäbe jedoch erste Anknüpfungspunkte vor allem im Bereich der Cloud-Transformation. Einen positiveren Trend sieht Schöllmann jedoch im Bereich IT for Green: “Wir sehen einen Rückgang der rein Compliance-getriebenen Anfragen. Der Fokus richtet sich langsam auf wirtschaftlich orientierte und ganzheitliche Ansätze.” Nachhaltigkeit werde zunehmend mit ökonomischen Aspekten verknüpft, was auf einen höheren Reifegrad hindeutet.


Carina Schöllmann, EY: “Im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung fehlt es häufig noch an klaren Prozessen und der erforderlichen Datentransparenz. Hier sollten Unternehmen ansetzen, um ESG die strategische Bedeutung einräumen zu können, die das Thema in Zukunft haben wird. Das Reporting darf deshalb nicht als reine Pflichtübung betrachtet werden. Vielmehr sollten Unternehmen einen Schritt weitergehen, proaktiv analysieren und Anforderungen praxisorientiert verankern – das bedeutet auch, Intervalle für die Datenerhebung zu finden, die eine aktive Steuerung zulassen.”
EY Consulting GmbH



Die Sache mit den Daten



Eines der größten Hindernisse für strategische ESG-IT in Unternehmen ist laut Experten der Mangel an belastbaren Daten, um überhaupt die nötige Transparenz über Nachhaltigkeit herstellen zu können. “Wirklich in vollem Umfang und guter Qualität hat diese Daten noch keiner, weder große Konzerne noch kleine Unternehmen”, erklärt Carina Schöllmann. “Zwar erfassen und verwalten viele bereits Umwelt- oder Sozial-Datenpunkte. Einen zentralen und konsolidierten Überblick zu erhalten, ist durch die dezentrale und manuelle Verarbeitung häufig aufwendig und komplex.”



Daten spielen dabei gleich auf mehreren Ebenen eine wichtige Rolle: Zum einen müssen für die Berichte ausreichend verwertbare Daten vorliegen, zum anderen werden diese benötigt, um strategische Entscheidungen treffen zu können. Nicht wenige Unternehmen schielen für die Datenverarbeitung in Richtung KI, was laut Marc Eismann, CEO der group24 AG, nicht unbedingt der beste erste Schritt ist: “KI kann nur eine Lösung stützen, aber nicht selber lösen. Dafür müssen Daten erstmal erfasst und sauber sein, und da sehe ich gerade noch das größte Problem”, sagt Eismann. “Viele wissen noch gar nicht, wo und wie sie die Daten am besten eintragen sollen.” Zwar gäbe es diverse Plattformen, die Abhilfe versprechen, doch die seien für viele nicht das Richtige. 


Marc Eismann, group24: “Für wirklich strategische ESG-IT fehlen derzeit schlicht ausreichende Daten – wirklich flächendeckend werden diese nirgendwo zusammengetragen. Daher sollten sich Unternehmen bei der Auswahl von Dienstleistern, Geräten und Tools frühzeitig fragen: Woher kommen die relevanten Daten, wie können wir sie erfassen und verarbeiten? Das Ziel sollte sein, Daten in Bereichen zu sammeln, wo man es bisher noch nicht getan hat und zu identifizieren, welche Akteure bisher nicht in der Lage sind, Daten bereitzustellen.”
group24 AG



Ähnlich sieht das EY-Partner Schöllmann. “Für große Unternehmen, die bereits Transparenz über die erforderlichen Daten, deren Verarbeitung und Quellsysteme haben, kann der Wechsel auf eine dedizierte ESG-Plattform wirtschaftlich und sinnvoll sein. Aber insbesondere bei kleineren Unternehmen, die noch mit der grundsätzlichen Erfüllung der Auflagen beschäftigt sind, ist eine Softwarelösung als Startpunkt wahrscheinlich nicht das Richtige”, ergänzt Schöllmann. “Mit der Software zu starten ist häufig eher mit Enttäuschungen verbunden.”



ESG-Berichte sind wichtig fürs Image



Saubere Daten und verwertbare ESG-Berichte sind jedoch auch noch an einer anderen Stelle von Bedeutung: Sie sind ein wichtiges Werkzeug für die Bindung bestehender und potenzieller Mitarbeiter. Denn die Experten sind sich einig – das Thema Nachhaltigkeit gewinnt einen immer größeren Stellenwert für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem für die jüngeren Generationen.



Carina Schöllmann betont, dass eine klare Kommunikation schon allein deshalb wichtig ist, um intern aufzuklären, warum bestimmte Daten erhoben werden und weshalb business-as-usual nicht mehr möglich und gewollt ist. Doch auch für die Außenwirkung sei es essenziell, die eigenen ESG-Bestrebungen klar zu kommunizieren. “Firmen müssen heute viel stärker ihr Business mit einem größeren Zweck verknüpfen, weil das vor allem für junge Menschen ein sehr wichtiges Kriterium ist”, sagt Schöllmann.



Studie “ESG-Reporting 2025”: Sie können sich noch beteiligen!Zum Thema ESG-Reporting führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Verantwortlichen durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Partner bei dieser Studie werden, helfen wir Ihnen unter research-sales@foundryco.com gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).



Reportings nicht als Pflichtaufgabe sehen



Doch wie gehen Unternehmen am besten vor, wenn sie zukünftig nachhaltiger agieren und eine saubere Datenbasis aufbauen wollen? Marc Eismann empfiehlt, den Nachhaltigkeitsgedanken bereits frühzeitig in die Auswahlprozesse von Dienstleistern, Geräten und Tools einzubeziehen. “Unternehmen sollten sich früh fragen: Woher kommen die relevanten Daten, wie können wir sie erfassen und verarbeiten? Das Ziel sollte sein, Daten in Bereichen zu sammeln, wo man es bisher noch nicht getan hat und zu identifizieren, welche Akteure bisher nicht in der Lage sind, Daten bereitzustellen”, erklärt Eismann.



Zustimmung erhält er von EY-Expertin Schöllmann, die vor allem den Schulterschluss zwischen IT-Abteilung und Fachbereichen hervorhebt, um gemeinsam eine zukunftsfähige Lösung zu finden und Wildwuchs an Silo-Lösungen zu vermeiden. Außerdem plädiert Schöllmann dafür, die Berichte auch als Chance zu begreifen: “Das Reporting sollte nicht als reine Pflichtübung betrachtet werden. Vielmehr sollten Unternehmen auch die Chancen der Nachhaltigkeitstransformation nutzen und einen Schritt weitergehen, proaktiv analysieren und Anforderungen praxisorientiert verankern.” Zudem empfiehlt sie, die eigenen Reporting-Intervalle und Datengranularität kritisch zu überprüfen und je nach Bedarf und Nutzen auf niedrigschwellige, kurze Intervalle mit höherer Datentiefe zu wechseln.


Thomas Gros, circulee: “Wenn wir den Schritt zu echter Zirkularität gehen wollen, müssen wir den Datenaustausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben. Wir brauchen einheitliche, industrieweite Datenräume, die von den großen Playern angetrieben werden. Dann kann sich die ganze restliche Industrie mitbewegen und sich alle auf einheitliche Standards einigen. So schaffen wir auch die nötige Transparenz – und zwar branchenweit.”
circulee GmbH



Circulee-Manager Gros hingegen fordert die gesamte IT-Branche auf, gemeinsam einheitliche Standards zu schaffen. “Wenn wir den Schritt zu echter Zirkularität gehen wollen, müssen wir den Datenaustausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorantreiben”, betont Gros. Er plädiert für industrieweite Datenräume, die von den großen Playern angetrieben werden. “Dann kann sich die ganze restliche Industrie mitbewegen und alle können sich auf einheitliche Standards einigen. So schaffen wir auch die nötige Transparenz – und zwar branchenweit.”



Informationen zu den Partner-Paketen der Studie ‘ESG-Reporting 2025’