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Was wurde aus den Internet-Giganten der 1990er?

Was wurde eigentlich aus den Giganten der Online-Frühzeit?
Foto: Zamurovic Brothers – shutterstock.com




Beim Klang der ehemals großen Namen des beginnenden Internetzeitalters werden zwangsläufig auch Erinnerungen wach an andere, einst große Marken, die die Online-Frühzeit geprägt haben. In diesem Artikel lesen Sie, was aus Brands wie Compuserve, Altavista, Netscape, Angelfire, Realplayer, Winamp oder der deutschen Google-Alternative Fireball geworden ist. Oder auch nicht.



Das wurde aus den Internet-Ikonen der 1990er



Altavista



Im Jahr 1995 geht Altavista als Demo-Projekt der Digital Equipment Corporation online. Im Prinzip ist Altavista der Vorläufer von Google. Die Volltext-Suchmaschine ist bis zum kometenhaften Aufstieg der heutigen Alphabet-Tochter eine der weltweit bekanntesten und meistgenutzten Suchmaschinen. Mit dem Verkauf an Compaq im Jahr 1998 beginnt der Anfang vom Ende für Altavista. Nichtmal ein Jahr später verkauft Compaq die Suchmaschine an CMGI (mit einem Verlust von einer Milliarde Dollar). Nächster Eigentümer ist das Werbeunternehmen Overture Series, das Altavista 2003 für 140 Millionen Dollar erwirbt. Noch im selben Jahr kauft dann Yahoo das Web-Urgestein – 2013 ist schließlich endgültig Schluss.



Angelfire



Der Website-Hoster Angelfire ist in den 1990ern einer der populärsten seiner Art. 1996 gegründet, wird das Unternehmen 1998 von Lycos Europe erworben – das damals zusammen mit AOL, Yahoo und Microsoft die “Big Four” des World Wide Web bildet. Lycos wurde seinerseits mehrmals “herumgereicht” und gehört heute zum indischen Medienkonzern Ybrant Digital. Angelfire ist dabei allerdings nicht unter die Räder gekommen: Auch heute werden Sie dort noch gehostet.



Die aktuelle Webpräsenz von Angelfire.




AOL



Das Unternehmen wird 1985 zunächst unter dem Namen “Quantum Computer Services” gegründet und firmiert ab 1988 unter dem Namen America Online (AOL). Während der Internet-Boomzeit etabliert sich AOL bis Anfang der 2000er Jahre als weltweit größter Internetanbieter mit knapp 30 Millionen Kunden. Die Übernahmen von Compuserve (1997), Netscape (1998) und Mirabilis (Entwickler von ICQ, 1998) haben daran ebenfalls Anteil.



Mit der Übernahme durch Time Warner (2000) beginnt der Stern von AOL allerdings dramatisch zu sinken: Bis zum Jahr 2009 sind es “nur” noch etwas mehr als fünf Millionen User. Dann folgt die Trennung von Time Warner und der Konzern tritt in eine Rehabilitations-Phase ein. Mit der Akquisition von diversen Tech-Webseiten (unter anderem TechCrunch, Huffinfton Post und Engadget) will sich AOL als digitales Medienunternehmen aufstellen. Mitte 2015 wird das Unternehmen schließlich von Verizon aufgekauft. Der Telekommunikationsriese will America Online mit der ebenfalls erworbenen Marke Yahoo (und einigen anderen Unternehmen) unter der Marke “Oath” zusammenführen.



Dieses Vorhaben gibt Verizon einige Jahre später ganz offiziell auf. Im Mai 2021 veräußert der Telekommunikationsriese sein Media-Geschäft – und damit auch AOL und Yahoo – an die Investorengesellschaft Apollo. Diese Akquisition wurde Mitte 2021 abgeschlossen, das Unternehmen firmiert seitdem unter dem Namen Yahoo, die Marke AOL dürfte damit endgültig beerdigt sein.



Compuserve



Als man sich noch über ein Modem ins Internet einwählen muss, bilden AOL, Compuserve und Prodigy ein mächtiges Dial-Up-Provider-Trio. AOL kann sich kurz vor dem Millenium durchsetzen und kauft Compuserve, lässt die Marke aber weiterleben – oder eher “vegetieren”. Erst im Jahr 2009 wird der klassische Compuserve-Service eingestellt. Tot ist Compuserve deswegen trotzdem nicht. Zumindest noch nicht ganz.



Fireball



Lange vor Google mausert sich die Suchmaschine Fireball in den späten 1990ern zur beliebtesten Web-Suchmaschine in Deutschland. Entwickelt wird sie 1996 von der Fakultät für Informatik an der Technischen Universität Berlin – indexiert werden ausschließlich deutschsprachige Webseiten. Um auch internationale Suchergebnisse abbilden zu können, geht man eine Kooperation mit Altavista ein. Im Jahr 1999 sichert sich Lycos Europe die Suchmaschine für rund 120 Millionen Euro. Von 2009 bis 2016 gehört Fireball dem Schweizer Unternehmen Ambrosia AG, das die Suchmaschine – spezialisiert auf deutsche Webangebote und mit dem Versprechen der Anonymisierung zunächst wiederbelebt. Ab 2016 übernimmt schließlich die in Bad Wiessee ansässige Fireball Labs GmbH die Geschicke der Suchmaschine und initiiert 2018 einen Relaunch. Seit 2022 gehört Fireball zur britischen Team Internet Group (ehemals CentralNic Group). Das “deutsche Google” lebt also weiter.






Geocities



Neben Angelfire ist Geocities einer der beliebtesten Webhoster der Internet-Frühzeit und so etwas wie ein Vorläufer von WordPress. Das 1994 gegründete Unternehmen wird im Zuge des Dotcom-Booms 1999 an Yahoo verkauft, der Preis beträgt damals mehr als 3,5 Milliarden Dollar. Zehn Jahre lang firmiert die Firma unter dem Namen Yahoo Geocities – 2009 gehen schließlich die Lichter aus. Außer in Japan – hier lebt der Webhosting-Service noch bis Ende März 2019 weiter.



Hotmail



Was wäre das Internet der 1990er Jahre ohne Hotmail? Einer der ersten kostenlosen Webmail-Dienste wird 1995 von Sabeer Bhatia und Jack Smith ins Leben gerufen – wobei der amerikanische Independence Day im Jahr 1996 ganz bewusst zur kommerziellen Einführung gewählt wird, um die Unabhängigkeit des Dienstes von den großen Internetanbietern herauszustellen, an die die E-Mail-Konten bis zu diesem Zeitpunkt noch geknüpft waren. Der Name wird dabei nicht gewählt, weil die elektronische Post damals der “heißeste Shit” ist, sondern um das Kürzel HTML in der Nomenklatur unterzubringen.



So sah die Hotmail-Webseite im Jahr 1997 vor der Akquise durch Microsoft aus.
Foto: Wayback Machine – archive.org




Nachdem sich Hotmail zu einem durchschlagenden Erfolg entwickelt und bis Ende 1997 mehr als acht Millionen Nutzer für sich gewinnen kann, wird der Webmail-Dienst schließlich im Dezember 1997 für circa 350 Millionen Dollar von Microsoft aufgekauft und ins MSN-Serviceportfolio integriert. MSN Hotmail ist im Jahr 1999 mit mehr als 30 Millionen aktiven Usern der weltweit größte Webmailservice.



Schwerwiegende Security-Probleme, die durch mehrere Hackerangriffe publik werden, zwingen den Redmonder Riesen schließlich zu umfassenden Renovierungsarbeiten – zwischenzeitlich steht auch die Umbenennung in “Windows Live Mail” zur Debatte, was letztlich nicht umgesetzt wird, um die User nicht zu verwirren. Hotmail wächst in den folgenden Jahren weiter und bekommt mehrere neue Anstriche, bevor im Jahr 2013 die Integration der rund 400 Millionen Konten in Outlook.com erfolgt. Die Hotmail-Tradition lebt seither in Outlook weiter. Das Angebot versucht seither, sich – insbesondere mit Privatsphäre-Features (beispielsweise der Verzicht darauf, E-Mail-Inhalte zu scannen) und umfassender Integration mit Office und weiteren Microsoft-Produkten gegen die Übermacht von Gmail zu behaupten.



ICQ



Mit ICQ erschafft ein israelisches Start-Up namens Mirabilis Ende 1996 den ersten kostenlosen Instant-Messaging-Dienst. Entsprechend rasant breitet sich die Software aus. Mitte 1998 wird Mirabilis von AOL für mehr als 400 Millionen Dollar aufgekauft. Im April 2010 wechselt ICQ erneut den Besitzer und geht von AOL für knapp 190 Millionen Dollar an das russische Investment-Unternehmen Mail.ru Group (inzwischen bekannt als VK) über.



In den Folgejahren kämpft ICQ als mobile App ums Überleben – der Verbreitung von Facebook, Whatsapp, Twitter und Co. sei “Dank”. Nichtsdestotrotz erfährt der Dienst im April 2020 noch einen Relaunch. Vier Jahre später gehen schließlich endgültig die Lichter aus: Nach knapp 28 Jahren wird der ICQ Messenger Ende Juni 2024 eingestellt.



Napster



Die Filesharing-Plattform Napster tritt 1999 einen wahren MP3-Boom los und bringt die Musikindustrie wie kein zweites Unternehmen gegen sich auf. Deshalb ist nach zahlreichen Klagen (unter anderem von Metallica und Dr. Dre) gegen das Unternehmen bereits 2001 Schluss mit Napster in seiner ursprünglichen Form. Zuvor versucht der deutsche Bertelsmann-Konzern das Unternehmen mit einem Investment in eine legale Plattform umzuwandeln. Als der Plan scheitert, muss Napster in die Insolvenz. 2002 kauft Roxio die Überbleibsel, bevor im Jahr 2008 der Retail-Riese Best Buy zuschlägt. Ende 2011 übernimmt schließlich der Konkurrent Rhapsody den Markennamen und nutzt ihn seitdem für seine eigene Musik-Bezahl-Plattform im Stil von Spotify und Deezer.






Netscape Navigator



Der Netscape Navigator ist in der Anfangszeit des Internets DAS Fenster zum World Wide Web – lange bevor Microsoft seinen Internet Explorer mit Hilfe von Windows 95 zum Nummer-Eins-Browser macht. Das Unternehmen Netscape Communications wird im Jahr 1998 von AOL für 4,2 Milliarden Euro erworben. Bis 2007 wird der Navigator so am (weitgehend künstlichen) Leben erhalten – dann endlich hat man bei AOL ein Einsehen und lässt den Kult-Browser in Frieden ruhen.



Real Player



Der Real Player ist eine Web-Ikone. Schließlich ist er im Jahr 1995 einer der ersten kostenlosen Media Player überhaupt, der es in Sachen Funktionen mit Microsofts damals dominierendem Windows Media Player aufnehmen kann. Allerdings zeichnet sich der Real Player auch durch Mitbringsel wie Ad- und Spyware aus, weswegen die Kollegen von der PCWorld ihn 2006 zum “zweitschlechtesten technischen Produkt aller Zeiten” küren. Trotz alledem: Die von Real Networks entwickelte Software hat sich tatsächlich bis heute gehalten, der Quellcode wird bereits 2002 offengelegt. Inzwischen steht der Real Player in überarbeiteter, zeitgemäßer Form zum Download zur Verfügung.



Winamp



Mit der Veröffentlichung des kostenlosen Musik- und Videoplayers Winamp gelingt dem neu gegründeten Unternehmen Nullsoft im Jahr 1997 ein großer Wurf. So groß, dass es 1999 von AOL für rund 80 Millionen Dollar aufgekauft wird. Mit der Weiterentwicklung von Winamp ist AOL offenbar überfordert – neue Versionen floppen, die User wandern zu Konkurrenzprodukten ab. Im November 2013 gibt AOL bekannt, dass Winamp eingestellt werden soll. Die genannte Deadline verstreicht allerdings, ohne dass etwas passiert.



Im Januar 2014 wird schließlich die Akquisition durch das belgische Unternehmen Radionomy bekannt. Im Oktober 2018 veröffentlicht das Unternehmen Winamp in der Beta-Version 5.8. Im Mai 2022 startet Winamp eine NFT-Initiative bei der Künstler Artworks einreichen können. 20 ausgewählte digitale Kunstwerke (sowie der klassische Winamp-Skin) sollen über den Marktplatz OpenSea verkauft werden, die Erlöse gehen zu 20 Prozent an die Künstler, zu 80 Prozent an die Winamp Foundation, die damit gemeinnützige Zwecke unterstützen will. Ab Juli 2022 steht Winamp in einer neuen Version mit aktualisierter Codebasis zum Download bereit. Diese kann dem allgemeinen Trend zum Musik-Streaming allerdings wenig entgegensetzen.



Das Winamp-Team kündigt deshalb Mitte Mai 2024 an, den Quellcode des ikonischen Musik-Players für Entwickler weltweit zur Verfügung zu stellen. Das wird im September 2024 realisiert – seitdem ist Winamp offiziell Open Source. “Die Entwicklung von Winamp hat sich verlangsamt, aber jetzt steht der Quellcode der Community offen und Entwickler können den Player optimieren und modernisieren, um ihn an alktuelle Nutzerbedürfnisse anzupassen. Das versohlt dem Lama richtig den Hintern”, heißt es im offiziellen Winamp-GitHub-Repository. Zwar verbietet die neue Lizenz, den Quellcode für andere Projekte zu nutzen und diese anschließend zu vertreiben. Dennoch könnte Winamp vor allem dank seiner immer noch großen Fanbase nun eine schillernde Open-Source-Zukunft bevorstehen.



Homepage-Reminiszenzen aus der Internet-Frühzeit



So ein Nostalgie-Flash ist schon etwas Schönes. Deswegen haben wir auch gleich noch die Webpräsenzen der frühen Internet-Top-Brands ausgegraben und sie um einige von noch aktiven Tech-Giganten erweitert. Schließlich ist eine Website – immer noch – die digitale Visitenkarte eines jeden Unternehmens. Umso interessanter (und teilweise auch amüsanter) ist es zu sehen, wie die World-Wide-Web-Aushängeschilder von Apple, Facebook, Amazon, YouTube und Co. in ihrer Frühphase ausgesehen haben:



Die frühen Websites der Tech-GigantenAltavistaPrä-Google-Ära: Altavista war die Adresse für weltweite Suchanfragen.AngelfireSo sah User Experience 1996 beim Webhoster Angelfire aus.FireballDie deutsche Google-Alternative – Fireball. GeocitiesBei Geocities liebte man Farben. Immer schon.ICQDer erste Instant Messenger: ICQ.NapsterSchlicht, erfolgreich und illegal: Das Napster-Portal im Jahr 1999.NetscapeBei diesem Anblick dürfte so mancher Tränen der Rührung vergießen: Die alte Netscape-Homepage.WinampDie Winamp-Website zu den Hochzeiten des Players im Jahr 1998.AOLDie AOL-Website bewirbt im Jahr 1996 den ‘personal chat’ als bahnbrechendes Zukunfts-Feature.TwitterKein Vergleich zu heute: Twitter im früh-jugendlichen Gewand.YahooAls Yahoo noch ein Gigant war, gehörte diese Webseite für viele Internetuser zum Standard-Repertoire.YoutubeAuch auf der Youtube-Seite hat sich seit 2005 einiges getan.AmazonAls Amazon noch ein Online-Buchladen war, beschränkte sich auch die Website auf das Wesentliche.FacebookDank “The Social Network” dürfte inzwischen Jeder die Facebook-Historie kennen. So sah die frühe Webpräsenz des erfolgreichsten sozialen Netzwerks aus.GoogleGoogle hat seit 1998 nur marginale Änderungen an seiner Webpräsenz durchgeführt. AppleDie Apple-Homepage Mitte 1997.